Das Wetter war wie so oft im März in Ligurien ungewöhnlich kalt, keine Thermik, Sturm, Flaute, Regen und Sonne. Trotzdem konnten wir sechs schöne Wettfahrten segeln. Mit unserem Ersatzboot haderten wir anfangs der Serie mit der Geschwindigkeit, aber wir kamen immer besser in Schwung und hatten vor dem alles entscheidenden letzten Rennen folgende Ausgangssituation:
Der Däne Lars Hendricksen führte das Klassement an, dicht gefolgt mit nur 1 Punkt Rückstand der stark segelnde ehemalige Drachenweltmeister Malte Philipp. Wir auf Platz drei mit 5 Punkte Rückstand auf die Spitze, weitere 5 Punkte zurück direkt hinter uns der ehemalige 470ziger Olympiasieger Jevgenij Braslavats, unser Teamkollege vom Transbunker Sailing Team. Nur diese vier Teams hatten noch eine reelle Siegchance, die Punkterückstände der übrigen Teams waren bereits zu groß.
Unsere Ausgangslage war am besten, wir hatten als einziges dieser vier Mannschaften noch keinen Streicher eingefangen. Der Verlauf des letzten Rennens, das bei Sonne, großen Wellen und Wind über 20 Knoten gesegelt wurde, verlief dramatisch: Lars Hendriken drehte bereits nach dem Start kurz ab, da er fälschlicherweise einen Gesamtrückruf angenommen hatte. Da nur Einzelrückruf angezeigt wurde, war er eigentlich schon frühzeitig aus dem Rennen um den Gesamtsieg ausgeschieden.
Malte Philip lag nach gutem Start anfangs in sehr aussichtsreicher Position. Er verabschiedete sich jedoch kurz später, da er einen Konkurrenten foulte und einen Strafkringel drehen musste. Wir rundeten die erste Luvtonne an achter Position, Evgenij Braslavats war zu diesem Zeitpunkt knapp hinter uns, Malte Philipp weit in den 20zigern und Lars Hendricksen zwischen Platz 30 bis 35.
Im weiteren Verlauf holte Lars stetig auf, Malte blieb weiter in der 20ziger hängen und Evgenij verabschiedete just dann aus dem Rennen um den Titel, als er nach einer Regelverletzung seinen Strafkringeln drehen musste. Einzig Lars machte weiter Boden gut und verkürzte in rasantem Tempo auf uns den anfangs großen Rückstand. Trotzdem waren vor der letzten Zielkreuz immer noch ausreichend viele Boote zwischen uns beiden. Lars musste noch Boote überholen, um uns den Sieg noch zu streitig machen zu können. Just zu den Zeitpunkt, als Vorschoter Frithjof Kleen bei einer Wende ins Wasser fiel, zogen wir in Erwägung zu warten, ihn abzublocken und einige Plätze nach hinten zu segeln. Da der Fauxpas Lars und Co wichtige Meter kostete, verwarfen wir diese Match Race Taktik, da wir uns sicher fühlten.
Aber es trat doch noch der Super GAU für uns ein! Hendricksen und Co zündeten den Dreifachturbo (wie beim neuen BMW X5 M50 D) und flogen an den Gegnern vorbei.. Als wir die Ziellinie kreuzten, waren wir noch guter Hoffnung. Wir sahen aber unseren Titel dahinschwinden, als Hendricksen und Co dem Ziel entgegen feuerten. Wir waren geschockt und fassungslos, nachdem wir realisierten, dass uns auf den letzten Metern der schon sicher geglaubte Sieg noch entrissen wurde, um zwei Plätze!
Wie konnte das passieren? Warum waren Lars Hendricksen, Anders Bagger und Frithjof Kleen so viel schneller als alle anderen? Warum holen sie so viele Meter bzw Plätze während eines Rennens auf? Ingo Ehrlicher lag an der letzten Leetonne noch vor Lars Hendricksen. Er segelte eine starke Zielkreuz, auch er überholte noch Boote. Aber auf dem letzten Schlag vom Felsen bis zum Ziel (ca 1 km) verlor Ingo annähernd 80 Meter auf Hendricksen und kreuzte das Ziel vier Boote dahinter.
Jetzt kommen mir wieder die geschlagenen Jungs von Team Neuseeland in den Sinn, die am Ende gegen den Speed von Oracle chancenlos waren. Frithjof sagte, dass er als gelernter Starbootvorschoter und durchtrainierter Athlet besser und länger hängen könne als alle anderen, aber macht das diesen enormen Geschwindigkeitsunterschied aus? Segelten die drei taktisch soviel besser als wir, war es Anders Bagger, der bereits mit Jens Christensen Europameister wurde und uns damals auch im letzten Rennen den schon sicher geglaubten EM Titel noch wegschnappte?
Lars Hendricksen wurde im Vorfeld bereits als Top Favorit gehandelt, da er auch bei der warm up Regatta durchs Feld pflügte. Es ist bekannt, dass die "alten" Petersen & Tyssen extrem schnelle Holzdrachen sind. Lars letzter Sieg bei einem Großereignis stammt aus dem Jahr 2007. Vor Palma de Mallorca gewann er mit einem derartigen Boot den Gold Cup. Nachdem er dann zu uns ins Transbunker Team wechselte, blieb sein Boot in der Garage und wurde bei keinem weiteren Großereignis von ihm gesegelt. Vor San Remo segelte Lars Dabutant", ex "Rat Pack", das angeblich schnellste Boot dieser 60ziger Jahre Generation. "Debutant" wurde komplett überarbeitet und verbessert, im Grunde ist es ein neues Boot. Im letzten Jahr gab es große Diskussionen, ob die aktuellen Modelle der Petticrow Bootswerft klassenkonform gebaut werden. Testbohrungen wurden vorgenommen, es wurde zumindest von offizieller Seite nichts beanstandet.
Nach einem "major refit" sollten auch alte Boote nach den aktuellen Klassenregeln "nachvermessen" werden, nach meinem aktuellen Kenntnisstand ist das nicht passiert. "Major refit" muss definiert werden, der Hamburger Anwalt und Drachensegler Philip Dohse, Vorsitzender des technischen Komitees, wird für Klärung sorgen müssen. Auch waren die neuen Spinnaker vom Segelmacher Fritz zu groß, "sie würden schrumpfen", war die Aussage!
Mittlerweile macht jeder was er will und Grenzen werden überschritten. Die Kontrollvermessungen am Boot sind eine Farce, es werden nur Messmarken kontrolliert, die Schwimmwesten, die Paddel und die Eimer. Kein Rumpf, kein Gesamtgewicht. Jeder kann schwindeln, wenn er das will. Zu große Spis kommen in der Trockner. Das ist gewöhnlicher Usus. Auch wir mussten den Trockner anschmeißen, 10 cm ist das Ding geschrumpft, alles war gut ... Wenn wir diesen aktuellen Entwicklungen nicht Einhalt gebieten und die IDA (internationale Drachen Vereinigung) weiterhin tatenlos zuschaut, dann ist dies der Anfang vom Ende dieser großen und traditionellen Klasse! Sie zerstört sich selber, die letzten noch existierenden Pettersen Boote werden aufgekauft und Tim Tavinor muss sich überlegen wie er seine Petticrow Boote schneller machen kann. Schafft er das, bleibt er im Geschäft, aber der Gebrauchtbootemarkt lst am Ende.
Ich will Lars Hendricksens Sieg nicht schmälern, er ist der neue Europameister, Glückwunsch auch an Friedl und Anders, die ohne Frage ein großes Kämpferhetz haben!
Trotzdem ist viel zu tun, packens wir an!
Markus Wiese